Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung
Schulpsychologischer Dienst der Stadt Detmold

Ein Auszug aus dem Programm des 10. Detmolder Symposium für Pädagogik und Psychologie

Ein alltägliches Schulproblem im häuslichen Umfeld in einer Bilderfolge

(Klicken sie bitte auf die Sprechblasen)

Die Karikatur von Marunde: Neues aus Schweinhausen aus der Zeitschrift BRIGITTE in der Ausgabe Nr. 20/92 war überschrieben mit:

„WAAAAH !!! - Ich will keine Soja-Pampe! Ich will ein Eis!!! WABAAH !“

Diese wird zu einer typischen schulpsychologischen Fragestellung umgewandelt:

„WAAAAH !!! Ich will spieeeeelen...“

In der typischen schulpsychologischen Beratung wird oft von den Ratsuchenden (Eltern und Lehrer/innen) verlangt, das störende Verhalten eines Kindes in der Schule und zu Hause nicht nur zu erklären, sondern es auch zu verändern, den Erwartungen gemäß zu modifizieren. Im Hinterkopf pflegt man einer externen, außerhalb der Familie oder der Schule liegenden Lösung das Wort zu reden, etwa im Sinne einer psychologischen Waschmaschine: im Schulpsychologischen Dienst abgeben, dort therapieren lassen und rundum erneuert wieder in Schule und Familie einsetzen.

Sicherlich ist diese Sichtweise auch irgendwo berechtigt. Möglicherweise weil wir unser Kind als den Hoffnungsträger der Familie ansehen und es auch so instrumentalisieren, dass es all die Erfolge einheimsen muss.

 

Haben Sie nicht gehört, das Kind will spielen!

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Kinder haben oft wenig Freiraum für eigene, selbst bestimmte Aktivitäten. Statt dessen Terminstress wie bei den Erwachsenen: von der Musikschule zum Fußball und danach zur nächsten Verabredung. Oder vom Ballettunterricht zum Reiten. Oder im Anschluss an die Hausaufgaben noch zur Schülerhilfe... Voll technisierte Kinderzimmer sorgen im Übrigen dafür, dass die Zeit für eigene Erfahrungen in Ruhe und Beschaulichkeit immer geringer wird.

Ludwig Born, Schriftsteller (1786 - 1837)

Man versteht die Kinder nicht, ist man nicht selbst kindlichen Herzens. Man weiß sie nicht zu behandeln, wenn man sie nicht liebt. Und man liebt sie nicht, wenn man nicht liebenswürdig ist.

Bertrand Russel: Die meisten Anstrengungen der Eltern, ihren Kindern gute Manieren beizubringen, scheitern daran, dass die Kinder aus einem natürlichen Trieb alles nachmachen, was sie ihre Eltern selbst tun sehen.


 

Unsinn, es muss auf den Arm...

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Bedürfnisse von Kindern werden gerne übersehen. Haben Sie Ihr Kind heute schon gelobt? - so heißt ein gängiger Spruch unter Berater/innen. Aus der Lernpsychologie ist bestens bekannt, dass Verhaltensweisen dann in das Handlungsrepertoire aufgenommen werden, wenn angenehme Konsequenzen folgen. Unangenehmen Konsequenzen lassen ein Verhalten mit der Zeit abklingen. Wie steht es mit dem Bild einer Waage? Erhalten unsere Kinder zumindest gleich viel Zuspruch in Form von Worten, Mimik und Gestik, wie wir sie mit verbalen Forderungen und Vorwürfen überschütten?

Jean Baptist Molière: Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.

Konvention der Kinderrechte - 11. Gebot : Jedes Kind hat ein Recht, vor verwöhnenden Eltern geschützt zu werden.


 

Einen anne Backen das Gör...

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Ein Klaps hat noch keinem geschadet.. Diese schnelle handlungsorientierte Reaktion ist immer noch weit verbreitet und findet in hemdsärmeligen Variationen eine größere Verbreitung als gemeinhin angenommen. Jeder, der sich darüber entrüstet, sollte bedenken, dass eine subtile Form der Gewalt, nämlich eine herabsetzende, entwürdigende Äußerung manchmal schlimmere Folgen hat, da diese schnell ausgesprochen das Vertrauen in den Erziehenden anhaltend untergraben kann.

Otto Herz auf einem Detmolder Symposium: Ziel der Pädagogik soll es sein, eine Schatzsuche zu organisieren, statt Defizite der Kinder auszuweisen. Und: Das Ziel der Schule muss sein: Die Stärken zu stärken und die Schwächen zu schwächen.


 

Rabenmutter

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Schnell haben wir solche Äußerungen zur Hand und dünken uns als die besseren Erzieher. Es ist jedoch oft sehr schwer, ohne eine entsprechende erzieherische Ausbildung, etwa im Sinne eines Kurses zur Erlangung des Elternführerscheines, das jeweils Richtige zu tun. Und auch dann trifft manchmal eine Redensart zu: Lehrers Kinder und Pastors Vieh, gedeihen selten oder nie...

Besser passt ein Sprichwort aus Indien: Wer sein Kind liebt, braucht es nicht zu erziehen. Oder: Ein helfender Arm ist immer noch besser als ein strafendes Auge.


 

Das Kind wehrt sich. Bravo!

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Rousseau formulierte einmal: Um die Menschen zu kennen, muß man sie handeln sehen.
Und ein Sprichwort: Der Weg zur Quelle führt gegen den Strom.

Und Otto Herz meint: Wenn das Leben keine Visionen mehr hat, dann fallen einem auch die Motivationen für das Lernen schwer.


 

Das Kind ist wohl nicht gut drauf, sag’ ich mal...

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Launen des Kindes übersteht man am besten, wenn man humorvoll reagieren kann. Manchmal hilft auch der Versuch, sich überhaupt nicht darauf einzulassen und etwas Nachfolgendes früher stattfinden zu lassen.

C. G. Jung: Wenn wir an einem Kind etwas ändern wollen, sollten wir zuerst prüfen, ob es sich nicht um etwas handelt, das wir an uns selbst ändern müssen.

George Bernhard Shaw: Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider. Er nimmt jedes Mal neu Maß, wenn er mich trifft, während alle anderen immer die alten Maßstäbe anlegen, in der Meinung, sie passten heute noch auf mich...

Von Shaw stammt übrigens auch die folgende Bemerkung: Das beste Mittel gegen eine Utopie ist der Gemeinderat...


 

Die Mutter ist emotional blockiert. Die Kinder spüren das...

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Kinder nehmen viel mehr wahr vom Verhalten der Eltern als nur die Handlung oder die gefallenen Worte. Sie selber können vom Gang ihres Kindes ins Elternhaus ablesen, ob die Klassenarbeit geglückt oder nicht geglückt ist. Eine gute Alternative bei einer emotionalen Blockierungen ist die Aktivität, sich etwas Schönes vornehmen, etwas Ausgefallenes tun. Jedenfalls sollte man den Kopf nicht hängen lassen, wenn einem das Wasser bereits bis zum Halse steht...

Thomas von Aquin : Trägheit macht traurig...

Hugo Kükelhaus meint : Nicht die Anstrengung macht richtig müde, sondern die Nicht-Aktivität, das Herumhängen.


 

Ja, so wehren Sie sich doch! Das Kind hat Sie ja völlig in der Hand!

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Das mag durchaus zeitweise so sein. Es kann eine Menge im familiären Geschehen passieren, wenn die Grundeinstellung von den Eltern zum Kind und umgekehrt vom Kind zu den Eltern in Ordnung ist.

Pestalozzi: Eine glückliche Mutter ist für ihre Kinder segensreicher als 100 Lehrbücher über Erziehung.

Gerecht zu sein, bedeutet nicht jedem das Gleiche, sondern jedem das Seine !


 

Aha. Da sieht man, wohin das führt: zum Terrorismus !

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Was sollen wir Erziehende nicht alles an zusätzlichen Aufgaben mieterledigen? Und - was verlangt man nicht alles von der Schule neben den 5 originären Aufgaben der Pädagogen/innen: Unterrichten - Beurteilen - Erziehen - Beraten und Innovieren ?

Aus Pädagogik 10/90: Der Lehrer hat die Aufgabe, eine Wandergruppe mit Spitzensportlern und Behinderten bei Nebel durch unwegsames Gelände zu führen, und zwar so, dass alle bei bester Laune und möglichst gleichzeitig an drei verschiedenen Zielorten ankommen.

Josef Kraus, Deutscher Lehrerverband: Was soll Schule heute alles nicht leisten, was sollen Lehrer nicht alles leisten neben dem Unterrichten: Drogen-Prophylaktiker, Medienerzieher, Verkehrspädagogen, Anti-Sekten-Prediger, Aids-Aufklärer, Gesundheitsmissionare, Sexberater, Gewaltabsorbierer, Kompensatoren sozialer Unterschiede, Elternersatz, Freizeitanimateure, Sinnvermittler, Familien- und Gesprächstherapeuten...


 

Ich hätte ein Beruhigungsmittel da...

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Klaus Hurrelmann, Jugendforscher, zu Überforderung und Stress im Kindes- und Jugendalter:

“Die Welt, in der Kinder und Jugendliche aufwachsen, ist noch nie so komplex und widersprüchlich gewesen wie heute. Eine Vielzahl von Anforderungen und Veränderungen wirkt heute auf Kinder ein, auch auf das Befinden und den Gesundheitszustand. Jugendliche sind gewiss einem hohen Erwartungs- und Leistungsdruck ausgesetzt. Studien belegen, dass bis zu 40 % aller Kinder in der Grundschule Stresssymptome aufgrund des Leistungsdrucks aufweisen.

... Die ungewissen Zukunftsperspektiven bewirken in der Schule oft einen massiven Konkurrenzdruck, der wiederum Stresssymptome nach sich zieht: psychosomatische Beschwerden, allergische Erkrankungen, Tabak- und Alkoholkonsum, Gefühle der Wut und Hilflosigkeit, die oft in Aggression und Gewalt münden.“

Nicht selten greift man in der Familie zur Selbstmedikation (Beruhigungs- und Kopfschmerzmittel oftmals nach dem Modell des mütterlichen Handelns) oder lässt sich vom Arzt / von der Ärztin etwas verschreiben. Voß hat es plakativ auf den Punkt gebracht mit seinem Buch Pillen für den Störenfried.

Ein Sprichwort sagt: Mit einem Tropfen Honig fängt man mehr Fliegen als mit einem Fass voll Essig.


 

Sie ist eine Alleinerziehende...

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Aus Pädagogik, 7-8/1997, “...Mehr als ein Drittel aller geschlossenen Ehen gehen inzwischen in die Brüche, die Scheidung wird zunehmend zu einer „normalen“ Station im Lebenslauf...  - Stichwort Lebensabschnittspartner/in -

Wenn Ehen mit Kindern geschieden werden, wird - in aller Regel - die Mutter zur Alleinerziehenden. 87 % der Alleinerziehenden sind Frauen. Der Anteil der Alleinerziehenden unter den Familienformen steigt. Konkret: Im statistischen Durchschnitt finden sich in einer Klasse von 27 Schüler/-innen vier Kinder, die aus Ein-Elternteil-Familien stammen. Tendenz: ansteigend “

Aber, bei aller Erschwernis in der Erziehungssituation (z. B. der verwöhnende Sonntagsvater), Tatsache ist auch, dass über weite Strecken niemand der Alleinerziehenden in die Erziehung hineinredet...


 

Das Kind gehört inne Therapie...

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Zu Therapie- und Beratungsformen siehe den Beitrag von Dr. Moll. Zur Ergänzung sei lediglich erwähnt ein Zitat aus der Zeitschrift betrifft erziehung (6/80) mit Bezug auf die vorherrschende Meinung in Kollegien: Wir brauchen keinen Berater, wir raten alles selber...

Der Schulpsychologe Heyse fasste seine Rückmeldungen über Beratung in der Schule so zusammen: Berater in der Schule - Nimm sie hin, aber nimm sie nicht ernst !

Da hilft uns schon weiter, wenn wir uns die Experten einmal genauer ansehen und uns fragen, wer sie eigentlich sind. Eine Antwort lautet: Ein Experte ist jemand, der vorher sagen kann, wie alles genau kommen wird, und der nachher erklären kann, warum alles ganz anders gekommen ist.

Um jedoch die Eingangsbemerkung wieder aufzugreifen.

Nahum Goldmann: Ein Experte ist jemand, der alles weiß - und sonst nichts !


 

Ich gehe in die Großstadt, in die größte Großstadt, die ich finden kann, das schwöre ich...

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Die Anonymität der Großstadt lässt gewiss eine größere Variabilität des Handelns zu. Aber auch dort werden die Probleme bald die gleichen sein. Vielleicht hilft ein Zitat aus Ulichs Buch Schule als Familienproblem, um zu einer anderen Bewertung der entstandenen Situation zu gelangen:

„Ich bin es ja sooo leid! Ich überrede meine Kinder nicht mehr dazu, in die Schule zu gehen. Ich beschimpfe sie nicht mehr, wenn sie die plötzlich notwendig gewordene Korken, Bierdeckel, Wollreste u.ä. nicht rechtzeitig finden. Ich kümmere mich nicht mehr um das vergessene Englischbuch und trage keine Turnbeutel mehr mit verlegen um Entschuldigung bittendem Lächeln in die Schule. Ich pauke weder das große noch das kleine 1 x 1. Ich lasse mich nicht mehr einweisen in die Didaktik des Englischunterrichtes, noch lasse ich mir beibringen, wie weit meine Kinder die Elektrizität begreifen müssen... Und ich träume davon, dass die überwiegende Mehrheit der Mütter sich ebenso verhält.“

Curt Goetz hatte recht, wenn er formulierte: Man kann das Leben schwerlich zu leicht nehmen, aber leicht zu schwer.


 

Schlussbetrachtung

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Sollte sich jemand aus der Zuhörerschaft (Leserschaft) mit einer Bemerkung vergrault fühlen, den oder die bitten wir, sich ein Sprichwort in Erinnerung zu rufen: Wer nachtragend ist, hat viel zu schleppen.

Und um im vorgegebenen Rahmen von Sprichwörtern zu bleiben, zwei weitere zum Schluss:

Antoine de Saint-Excupèry

Wenn Du ein Schiff bauen willst,

dann rufe nicht die Menschen zusammen,

um Holz zu sammeln, Aufgaben zu verteilen und Arbeit einzuteilen,

sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem großen, weiten Meer.

 

Sprichwort aus China

Willst Du Deine Zukunft für ein Jahr sichern,

dann pflanze Getreide.

Willst Du Deine Zukunft für ein Jahrzehnt sichern,

dann pflanze einen Wald.

Willst Du Deine Zukunft für die nächsten 100 Jahre sichern,

dann investiere in die Jugend.